Wie sehen die wesentlichen Beteiligungsrechte der Schöffen aus?

Die wesentlichen Beteiligungsrechte der Schöffen

Um seiner Verantwortung gerecht werden zu können, ist der Schöffe mit bestimmten Rechten ausgestattet. Welche Rechte er im Einzelfall hat, ergibt sich aus seiner Stellung nach §§ 30, 77 GVG. Steht den Berufsrichtern die Befugnis zu, über eine bestimmte Frage zu entscheiden, steht sie auch den Schöffen zu, es sei denn, diese sind ausdrücklich durch ein Gesetz von dieser Entscheidung oder Maßnahme ausgeschlossen, weil sie den Berufsrichtern oder allein dem Vorsitzenden vorbehalten ist. Dieser Grundsatz soll an einzelnen wesentlichen Beteiligungsmöglichkeiten noch einmal unterstrichen werden, auch um später darauf zurückzukommen, welche Anforderungen an die Schöffen gestellt werden und welche Fähigkeiten sie mitbringen sollten:

Die Schöffen haben das Recht, Fragen an Angeklagte, Zeugen und Sachverständige zu stellen (§ 240 Abs. 2 StPO).

Zur Erfüllung ihrer Aufgabe können sie sich den Anklagesatz aushändigen lassen (Nr. 126 Abs. 3 Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren - RiStBV) und Akteneinsicht[1] nehmen.
An allen Beratungen und Abstimmungen nehmen sie teil (§§ 197, 196 Abs. 4 GVG, § 263 StPO), soweit sie nicht ausdrücklich durch ein Gesetz ausgeschlossen sind.
Ihre wichtigste Pflicht ist die Mitwirkung an verfahrensbeendenden Entscheidungen wie Urteil oder Einstellung des Verfahrens, aber auch an den damit zusammenhängenden Entscheidungen wie die Festsetzung der Bewährungsauflagen oder an welche gemeinnützige Einrichtung der Angeklagte eine Geldbuße zu überweisen hat.

Auch an den verfahrensgestaltenden Entscheidungen im Verlaufe der Hauptverhandlung sind die Schöffen beteiligt. Sie entscheiden nicht nur über Beweisanträge der Staatsanwaltschaft oder der Verteidigung mit, sondern haben auch das Recht, selbst Anregungen zur weiteren Beweisaufnahme (Vernehmung von Zeugen, Einholung eines weiteren Gutachtens usw.) zu machen.

Selbst in den Fällen, in denen zunächst der Vorsitzende auf Grund seiner Befugnis zur Leitung des Verfahrens allein entscheidet, kann von einem Verfahrensbeteiligten der Antrag auf Entscheidung durch das Gericht gestellt werden, so dass auch die Schöffen z.B. über die Zulässigkeit von Fragen der Prozessbeteiligten mitentscheiden. Auch weitere Entscheidungen wie der Ausschluss der Öffentlichkeit, die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 GG oder das Vorliegen von Zeugnisverweigerungsrechten unterliegen der Mitwirkung der Schöffen.

Zur Wahrnehmung ihrer Aufgabe haben die Schöffen wie die Berufsrichter die richterliche Unabhängigkeit (§ 45 Abs. 1 Satz 1 DRiG). Sie sind frei von Weisungen, unabsetzbar und unversetzbar. Nur in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen kann der Schöffe von seinem Amt entbunden werden. Dazu bedarf es aber auf jeden Fall einer richterlichen Entscheidung.

Wie verantwortungsvoll die Aufgabe der Schöffen ist, zeigt die Tatsache, dass gegen die Stimmen beider Schöffen im deutschen Strafprozess niemand verurteilt werden kann. Die Entscheidungen, die im Zusammenhang mit der Frage der Schuld (also, ob die angeklagte Tat dem konkreten Angeklagten nachgewiesen werden konnte) oder mit den Rechtsfolgen der Tat (Strafe, Maßregeln der Besserung und Sicherung, Strafaussetzung zur Bewährung usw.) stehen, sind mit Zwei-Drittel-Mehrheit durch das Gericht zu beschließen (§ 263 StPO). Das bedeutet, dass im Schöffen- und Jugendschöffengericht sowie in der kleinen Strafkammer des Landgerichts (jeweils mit einem Berufsrichter und zwei Schöffen besetzt) die Schöffen eine qualifizierte Mehrheit gegenüber dem Berufsrichter besitzen, mit der sie sich in allen Fragen gegen diesen durchsetzen können. Und auch im erweiterten Schöffengericht, der kleinen Strafkammer als Berufungsgericht gegen Urteile des erweiterten Schöffengerichts (jeweils zwei Berufsrichter, zwei Schöffen) oder in der großen Strafkammer (zwei bzw. drei Berufsrichter, zwei Schöffen) können die Berufsrichter zum Nachteil des Angeklagten gegen beide Schöffen keine Verurteilung und keine Strafe durchsetzen. Sie sind für den Fall unterschiedlicher Auffassung über die Täterschaft oder die Strafe immer darauf angewiesen, mindestens einen Schöffen für ihre Auffassung zu gewinnen. Das macht deutlich, dass die Schöffen eine eigene Verantwortung besitzen und sich nicht auf die Erfahrung oder Ausbildung der Berufsrichter zurückziehen können. Ob ein Angeklagter überhaupt verurteilt wird und ob er eine milde oder harte Strafe bekommt, verantworten Schöffen in gleicher Weise wie die Berufsrichter.

Über Verfahrensfragen (z.B. ob der Vorsitzende die Frage eines Verfahrensbeteiligten zu Recht zurückgewiesen hat, ob ein Vereidigungsverbot besteht oder ob dem Zeugen ein Auskunftsverweigerungsrecht zusteht) wird mit einfacher Mehrheit entschieden.



[1] BGH, Urteile vom 23.02.1960 und 26.03.1997, RohR 1997 S. 95.