Urteil Abstimmung

Sanibel

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16.01.2025
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Hallo,
ich habe schon an der einen oder anderen Sitzung teilgenommen.

Meine Wahrnehmung in Bezug auf eine faire Abstimmung ist nachteilig getrübt, man hat den Eindruck, dass generell der oder die Vorsitzende ein Schuldspruch versucht „in den Mund zu legen“….. eine eigene Meinung hierzu wird wohl nicht gerne gesehen (ist mein eigener Eindruck)!

Ist man in der Schuldfrage anderer Meinung wird man schief angeschaut und es wird dann abgestimmt. Meistens traut sich dann der 2.Schöffe dem Vorsitzenden nicht zu wiedersprechen…..

Ich überlege schon das Amt niederzulegen da ich eine faire Abstimmung bislang vermisse.

Wie sieht es bei euch aus?
 

Hasso Lieber

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04.11.2022
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Weisen Sie Ihren Vorsitzenden auf die Regelung in § 197 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) hin. Danach stimmen die Schöffen vor den Berufsrichtern, nur der Berichterstatter kann seinen Vorschlag vorab machen. Der Vorsitzende stimmt zuletzt. Diese Vorschrift ist nicht nur eine Regel, die die Reihenfolge festlegt, sondern hat vor allem den Inhalt, dass die Schöffen die Möglichkeit haben, ihre Meinung unabhängig zu bilden. Wenn sie rechtlich falsch liegen, kann man sie aufklären und sie können ihre Auffassung überdenken. In aller Regel hat man aber unterschiedliche Auffassungen bei tatsächlichen, weniger bei rechtlichen Fragen. Glaube ich dem Belastungs- oder dem Entlastungszeugen? Ist die Reue im Geständnis des Angeklagten echt oder taktisch? Ich habe die Schöffen, mit denen ich zusammengearbeitet habe, immer zuerst ihre Meinung sagen lassen. Wenn ich darauf angewiesen bin, die Schöffen zu beeinflussen und einzuschüchtern, bin ich nicht nur unhöflich und weiche vom Gesetz ab, sondern komme auch meinen richterlichen Obliegenheiten nicht nach. Ich kann meine Sicht von der Beweisaufnahme ordentlich begründen, da brauche ich keine Tricks. Erst wenn ein Schöffe uneinsichtig ist und auf einer völlig unvertretbaren Meinung beharrt. gegen Grundsätze der Logik oder Alltagserfahrung verstößt, kann ich deutlicher werden. Ein ordentlicher Richter geht systematisch vor, ruft die einzelnen Merkmale der Tat auf, die notwendig festgestellt werden müssen und lässt bei unterschiedlicher Auffassung nach der Regel des § 197 GVG abstimmen. Wie systematisch diskutiert und abgestimmt wird, habe ich in "Fit fürs Schöffenamt" (Nomos Verlag) au S. 2444 ff. und einem praktischen Beispiel auf S. 263 ff. dargestellt.
 
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